REVIEWS FOR FIRE IN THE HEAD LIVE AT CONSUMER ELECTRONICS #7

From WALKINGwithSHADOWS:

Nach den teilweise negativen Stimmen des letzten Jahres bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass sich die Besucherzahlen bei diesem Festival etwas in Grenzen halten würden - eine ganz klare Fehleinschätzung. Obwohl viel bekannte Gesichter fehlten und im Vorfeld bereits ihr Ausbleiben angekündigt hatten, konnte man sogar fast von einer Verdoppelung der Menge sprechen. Ich empfand es außerdem als eine Art Ehrenbezeugung, dass viele Industrialgrößen aus Deutschland diesem Festival beiwohnten. Ob das jetzt an Whitehouse, am gesamten Programm oder an der Tatsache lag, dass es sich hierbei um das letzte Consumer Electronics Festival handeln sollte, sind reine Spekulationen.

Einlass war um 18:00 Uhr, Beginn um kurz nach 19:00 Uhr - alles wie geplant. Das Ende des Festivals wurde für 00:00 Uhr angekündigt, da dies wohl zu den Auflagen des K17 gehört. Glücklicherweise gab es deshalb auch keine Verschiebungen, so dass man direkt nach dem Festival die Heimreise antreten konnte. An diesem Konzept könnten sich andere Veranstalter ruhig
orientieren, da dies auch für Hotelübernachtungen enorme Vorteile bietet.

Bühnentechnisch wurde das Festival mit Philip Best eröffnet und zugleich geschlossen, dazu aber später mehr. Die Power Electronics-Lesung des Philip Best im Rahmen seines Solo-Projektes Consumer Electronics kam wie zu erwarten sehr gut an. Sehr druckvoll, mit hohen Frequenzen und textintensiv, wobei es sehr schwer viel, seinen Ausführungen zu folgen, da die Kombination aus Verzerrungen und Schreiperformance, selbst bei hoher
Konzentration, dies kaum ermöglichte. Begeistert wurde dieser Auftritt auch von einem skandinavischen Punkerpärchen aufgenommen, das krampfhaft versuchte, ihren Protagonisten am Bein zu packen. Ein Tritt in Richtung Gesicht konnte sie aber zumindest ein wenig von weiteren Versuchen abhalten.

Das man diese Musik nicht gerade einer so genannten Jugendkultur
unterordnen kann, liegt nicht nur allein am Anspruch der Künstler und Gäste, etwas außergewöhnliches zu bieten bzw. zu erleben, sondern teilweise auch am Alter beider Fraktionen. Wozu jetzt diese ganze Einleitung? Klar, es gab einen Auftritt des Berliner Urgesteins C.O. Caspar, der sich schon sehr weit von dem Beginn seiner Volljährigkeit entfernt hat. Ich tippe mal, dass diese Differenz
bei ungefähr vierzig liegt. Sein sehr analoges Equipment hat sicherlich eine ähnliche Zeit auf dem Buckel bzw. hat es in dieser Zeit schon gegeben. Ein Laptop hätte aus diesem Grund nicht ins Programm gepasst und seine Darbietung durch diesen Stilbruch dann ein wenig entwertet. Gearbeitet wurde mit Schläuchen, Rohren, einer Art Pauke, Stimmeffekten durch Mikrophon-Oralbefriedigung usw. Kein Wunder, dass das schwer begeisterte Publikum nach diesem Auftritt sehr eindringlich eine Zugabe forderte.

Der nachfolgende Künstler, Burn Ward, hat sich im Gegensatz zu den beiden vorherigen Auftritten dazu entschlossen, in einem recht kurzen Zeitfenster zu spielen. Es gab für wenige Minuten geballten elektronischen Krach, der allerdings sehr intensiv und gut war. Auf dem ausgehängten Plan konnte man feststellen, dass Burn Ward und Fire In The Head zum gleichen Zeitpunkt spielen sollten, diese „Länge" war also beabsichtigt.

Streng genommen konnte man den Auftritt auch als Soundcheck für das nachfolgende Projekt Fire In The Head betrachten. Das ist jetzt nicht böse gemeint! Aber die Tatsache, dass der gleiche Künstler unter anderem für die Sounds von Fire In The Head mitverantwortlich war, ließ diesen Schluss zu. Recht lärmintensiv ging es dann mit Fire In The Head los/weiter. Dazu fanden sich zwei Personen hinter der Technik wieder und eine stark tätowierte Person teilnahmslos auf der Kante des erhöhten Bühnenrandes mit dem Rücken zum Publikum und dem Mikrophon in der Hand. Gerade war ich noch damit beschäftigt, diesen Sänger leicht seitlich zu fotografieren, da ließ er sich plötzlich rückwärts ins Publikum fallen, ohne darauf zu achten, dass da auch Leute stehen, die ihn auffangen – absoluter Wahnsinn. Zu seinem Glück wurde er aufgefangen und begann im Publikum die Leute durch die Gegend zu schleudern und anzubrüllen. Diese erwiderten den Körperkontakt durch ebenso starke Bodychecks. Die erste Kampfarena des Abends wurde somit eröffnet. Ein wohl szenefremder Gast stellte sich dabei immer wieder mit geballten Fäusten und Angriffsstellung dar. Das etwas
niedlich wirkende Posen bewarte ihn allerdings nicht vor einem
Rausschmiss.

Das Erbe dieses Auftritts durfte das italienische Ein-Mann-Projekt Wertham antreten. Er kam mit seinem dezenten Lächeln und einem Teddybär in der Hand im Gegensatz zu Fire In The Head etwas harmloser rüber. Jedoch war sein abgelieferter Sound alles andere als kuschelig. Spätestens nachdem er den Teddy mit dem Messer bearbeitete und das Innenleben im Publikum verteilte, wusste wohl jeder, dass das Teil nicht zum Schmusen gedacht war. Der Kopfteil des Teddys befand sich dann irgendwann auf dem Haupt eines Mädchens wieder und für alle Insider, es war keine Muppe.

Der für viele erwartete Höhepunkte des Abends, Whitehouse, hat viele Gäste direkt vor die Bühne gelockt. Und dort ging es es dann auch gleich mit heftigem Schubsen los. Die wechselseitigen Beschimpfungen des Publikums von William Bennett und seinem größten „Fan" Philip Best stachelten dieses noch mehr auf. Soweit ich es beobachtet habe, sind die obligatorischen Bierduschen diesmal ausgeblieben, auch zu Falschenwürfen kam es nicht, weil nur Becher ausgegeben wurden. Das extreme und frauenfeindliche Posen
beherrschte wieder einmal die gesamte Performance. Einmal presste Philip Best seine männlichen Titten direkt auf die Tastatur seines Laptops, vielleicht tauchen noch irgendwo Bilder von diesem kurzen Moment im Internet auf, denn Bilder wurden wirklich sehr viele gemacht. Obwohl es ein sehr gelungener Whithouse-Auftritt war und dies für eine besondere Atmosphäre sorgte, konnten sie die Darbietung von C.O. Caspar und Fire In The Head in meinen Augen nicht überbieten.

Fazit: In diesem Zusammenhang von einem gelungenen und genialem Festival zu sprechen, wäre ziemlich untertrieben. Das sehr abwechslungsreiche Programm hat sicherlich auch den anspruchsvollsten Besucher glücklich gestimmt und dazu geführt, dass der Saal komplett gefüllt war. Kann mir deshalb nicht vorstellen, dass dies wirklich das letzte Consumer-Electronics-Festivals gewesen sein soll.

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